Der Weg ist kaum zu erkennen, verwachsen mit Gras und kurzem Gestrüpp schlängelt er sich durch den Wald am Fluss entlang. Dann öffnet sich eine kleine Lichtung, direkt am Ufer in einer für die Thaya so typischen Flussschlinge gelegen. Das bereits herbstlich gefärbte Laub der Bäume und Sträucher spiegelt sich im ruhigen Wasser der Thaya und die steil abfallende Felswand am gegenüberliegenden Ufer umrahmt die Szene und verleiht ihr eine intime Atmosphäre. Die Abgeschiedenheit und Ruhe, die dieser Ort ausstrahlt, sind beinahe physisch spürbar. Es ist die prototypische Thayatallandschaft, ein Ort wie aus dem Märchenbuch.
Hier, nicht weit von der mächtigen Ruine Kollmitz entfernt, befindet sich das Naturrefugium von Roland Neuwirth. Dorthin zieht sich der Sänger, Komponist und Autor zurück, wenn er Ruhe und Entspannung vom Trubel eines oft hektischen Musiker-Lebens braucht. Hierher kommt der passionierte Fischer, um am ruhigen Ufer sitzend seine Angel auszuwerfen und abschalten zu können.
Roland Josef Leopold Neuwirth, wie der ungekrönte König des modernen Wienerliedes mit vollem Namen heißt, liebt diesen Fluss, die Thaya. Weil sie so naturbelassen ist, so schöne abgeschiedene Plätze bereithält, weil an ihrem Ufer die Zeit so sanft verstreicht, dass sich Körper und Geist wie von selbst entspannen und wieder den Gleichklang finden. „Hier verlierst du dein Ego und gehst in der Landschaft auf“, sinniert er, während sein Blick über das Wasser streift. Er erzählt von all den schönen Plätzen entlang des Flusses, wo Eisvögel im steilen Ufer nisten und Reiher in harmonischem Gleitflug über Wasseroberfläche schweben. Er erzählt vom Eins-Sein mit der Natur und wie die Tiere des Waldes ihre Scheu verlieren, wenn er regungslos am Ufer sitzt und wartet, dass die Angelschnur zuckt. „Für mich ist das heilig. Das ist meine Kirche“, erklärt Roland Neuwirth ernst.
„Hier verlierst du dein Ego und gehst in der Landschaft auf.“
Die Liebe zur Natur und die Passion fürs Fischen wurden dem Musiker sozusagen in die Wiege gelegt, berichtet er später, als wir gemeinsam in der gemütlichen Stube des stilvoll renovierten Bauernhauses in Mostbach sitzen, das er gemeinsam mit Ehefrau Andrea bewohnt. Bereits von Kindesbeinen an verbrachte er die Sommer in Greifenstein-Altenberg an der Donau, gemeinsam mit Vater und Großvater wurden die Angeln ausgeworfen. „Ich bin wie ein kleiner Tom Sawyer aufgewachsen. Dort habe ich meine schönste Zeit verbracht und gelernt, was es bedeutet in der Natur zu sein.“
Dass es ihn später ins Waldviertel zog, hat ein wenig mit Zufall zu tun, aber viel mehr mit der schönen und unverdorbenen Landschaft der Region. Nur hier gäbe es zwischen den Ortschaften noch genug freien Raum und noch Plätze, wo man sich wirklich wie in der Wildnis fühlt, schwärmt Neuwirth von seiner Wahlheimat. Ist diese bedroht, dann ergreift der Musiker mit seinen Mitteln die Gegenwehr und komponiert ein Protestlied: „Die Landschaft ist nicht zersiedelt und deswegen bin ich so dagegen, dass in der letzten verbleibenden Waldlandschaft Windräder gebaut werden.“
Roland Neuwirth, seit seinem Bühnenabschied mit den Extremschrammeln offiziell Pensionist, widmet sich neuerdings wieder musikalischen Projekten. Seit einiger Zeit steht der Meister des Wienerlieds gemeinsam mit dem radio.string.quartet auf der Konzertbühne. Auf dem Programm stehen bei diesen Auftritten neben Neuwirth-Klassikern auch einige neue Kompositionen, arrangiert von den Musikern des Quartetts und Roland Neuwirth selbst.